Grundsteuerreform - Einspruch einlegen?
Stand 06. März 2023
Stellungnahme Kanzlei Distel zu dem Thema, ob Einspruch eingelegt werden soll:
Sollen wir Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid einlegen?
Das ist ein ganz schwieriges Thema. Sinnvoll wäre es seitens Politik und Finanzverwaltung gewesen, die Bescheide „vorläufig“ zu erlassen – ein durchaus üblicher Vorgang mit Blick auf rechtliche Unwägbarkeiten. Diese Forderung wurde und wird vehement von Verbänden, wie bspw. dem Bund der Steuerzahler, dem Deutschen Steuerberaterverband oder Haus & Grund, erhoben – bislang ohne Erfolg.
Warum? Reichlich verkürzt: Die Verwaltung möchte Fakten schaffen und nicht bei einer möglichen Verfassungswidrigkeit alle Bescheide neu erlassen müssen. Zu diesem Satz würde es viel zu sagen und zu diskutieren geben. Aber die Tendenz der Verwaltung ist klar: Wir ziehen es jetzt durch. Auch dafür gibt es Argumente.
Fakt ist aber, dass gerade beim Bewertungsmodell in Baden-Württemberg die – soweit ersichtlich – überwiegende Mehrheit der Juristen davon ausgeht, dass das Modell verfassungswidrig sein dürfte (bspw. Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg, vgl. https://www.merkur.de/wirtschaft/eigentuemer-professor-grundsteuer-verfassungswidrig-erklaerung-reform-klage-jura-91943933.html).
Das wird deutlich, wenn man sich den Hintergrund für die Reform der Grundsteuer ansieht. Anlass für die Grundsteuerreform war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018, das die bisherige Grundsteuer als verfassungswidrig ansah, da die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr gegeben sei, zumal die Einheitswerte von 1935 und 1964 weit überholt seien und Anpassungen nur unzureichend vorgenommen worden seien. Die wesentlichen Erwägungen fasst das Gericht wie folgt zusammen:
„Die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen sind mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG lässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Bewertungsvorschriften für die steuerliche Bemessungsgrundlage einen weiten Spielraum, verlangt aber ein in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerechtes Bewertungssystem. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führt zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt.“
Oder kurz: Zwei gleichartige Sachverhalte sollen auch zumindest annäherungsweise gleich behandelt werden müssen.
Und heute im Jahr 2023 mit der Reform?
Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: In Baden-Württemberg wird in einem gut angebundenen Ort unmittelbar bei Stuttgart (Bodenrichtwert pro qm € 1.000) ein älteres, reichlich in die Jahre gekommenes kleines Einfamilien-Häuschen aus den 1930-iger Jahren auf einem 10 ar großen Grundstück (das beinahe legendäre „Oma ihr klein Häuschen“) genauso belastet wie das exakt gleich große Nachbargrundstück mit fünf neu errichteten und für durchschnittlich jeweils € 650.000 verkauften Luxuswohnungen mit durchschnittlich 120 qm Wohnfläche.
Jeder der fünf Wohnungseigentümer bezahlt also nur 1/5 der Grundsteuer, die die ältere Dame des Nachbargrundstücks aufbringen muss.
Gerecht? Gleichmäßigkeit der Besteuerung? Mit Sicherheit nicht, wenn man die Verkehrswerte heranzieht (5 x € 650.000 = € 3.250.000 versus vielleicht € 1.250.000). Aber auch hierüber ließe sich viel diskutieren.
Ein Vorschlag einer pragmatischen Herangehensweise bezüglich des Modells in Baden-Württemberg wäre:
Wenn der Grundsteuerwertbescheid bei den bisherigen Hebesätzen der Kommunen eine „Explosion“ der Grundsteuer bedeutet, dann empfiehlt es sich Einspruch einzulegen.
Beispiel: Ein neuer Grundsteuerwertbescheid von € 272.000 führt zu einem Grundsteuermessbescheid von € 247,88. Bei einem Hebesatz von 400 Prozent bedeutet das eine zu bezahlende Grundsteuer von € 991,52. Dieser Betrag muss mit der bisherigen Grundsteuer verglichen werden.
In der Praxis werden Stand heute die Finanzämter bereits mit Einsprüchen „geflutet“, die von irgendjemand bearbeitet werden müssen. Hinter vorgehaltener Hand räumen Mitarbeiter der Finanzverwaltung ein, dass es sich um eine nicht zu bewältigende Aufgabe handele. Das bringt allerdings auch niemanden weiter.